Die Strecke von Iguazu bis an die brasilianische Küste war viel länger und auch viel teurer als erwartet. Besonders auf der (vermeindlichen) Schnellstrasse BR277 von Foz do Iguazu nach Curitiba wurden wir praktisch jede Stunde zur Kasse gebeten. Ca 100.- US$ an Strassenmauten, dazu Dieselpreise die gut 20% über dem argentinischen Preis liegen. Die Landschaft war anfangs noch hügelig und bewaldet, dann erstreckten sich unendliche Ebenen vor uns. Viele Kühe und ab und zu ein Gaucho, der an seinem Maté (bitterer Thé, viel beliebter als Kaffee) schlurfte. Nach zwei langen Tagen on the road (mit unzähligen Lastwagenunfällen) sind wir endlich an der vielgelobten Playa do Mariscal in Bombinhas, ca 50 km nördlich von Florianopolis angekommen.
Der Himmel war verhangen, der wunderbare 5km lange Strand menschenleer.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätten wir uns über diese wilde Romantik gefreut, aber jetzt sehnten wir uns nach Sonne und Gesellschaft. Der ebenfalls verlassene Camping wollte 66 Reais für die Nacht (40 US$!), also beschlossen wir, einfach am Stand zu parken. Schliesslich haben wir im Camper Dusche, WC und Küche. Doch vorher wollten uns im einzig offenen Restaurant einen Fisch und guten Wein gönnen. Das war der Anfang einer wunderbaren Freundschaft.
Estan Suizos?!? Osmar klopfte aufgeregt mit der Krücke auf sein rechtes Bein. Eine Prothese aus Aluminium. Freudig blätterte er durch sein kleines Deutsch-Portugiesisch Langenscheidt-Wörterbuch, das er immer auf sich trug. Er schwärmte vom Jungfraujoch, von Luzern und einer wunderbaren Ärztin aus Meilen, deren abgegriffene Visitenkarte ihren festen Platz im Wörterbuch hatte.
Was es mit der Liebe zur Schweiz und vor allem zu Deutschland auf sich hat, sollten wir bald erfahren. Erst aber Fotos schiessen (der Wirt zog dazu extra sein Hemd aus) und dann - keine Widerrede! - den Camper in seinem Garten direkt am Strand für die Nacht parkieren.
Aus einer Nacht wurden fünf. Schon am nächsten Tag zeigte sich die Sonne und wir entspannten uns. Florian genoss das Surfen und Mireille joggte jeden Tag eine Stunde lang der Brandung entlang und verschlang Bücher und riesige Steaks mit dem gleichen Heisshunger.
Jeden Tag lernten wir unseren grosszügigen Gastgeber und auch seine Freunde besser kennen. Osmars Charisma und seine Freundlichkeit zieht die Menschen magisch an. Ständig waren Leute zu Besuch oder holten Osmar ab, um mit ihm etwas trinken oder essen zu gehen. Carlos der Tierarzt, Leilo der Immobilienhändler und seine Freundin Graziella, die Architektin Christina und viele mehr gingen in Osmars bescheidenen Hütte ein und aus. Und mitten drin Mireille und Florian, die umsorgt und bekocht wurden. Es war schwierig, sich mal zu revanchieren. Obwohl wir kaum Portugiesisch sprachen und Osmar kaum Deutsch, verstanden wir uns blendend.
Osmar und Florian
Tierarzt Carlos
Mireille und Christina, die Architektin
Osmar and Friends
Osmar war Lastwagenchauffeur. Bis zu dem tragischen Unfall, bei dem er sein rechtes Bein verlor. Als er vor sechs Jahren einem deutschen Touristen Unterkunft anbot und ihm auf einem Bein hüpfend einen Kaffee zubereitete, versprach dieser, Osmar nach Deutschland mitzunehmen. Dort sollte er eine gute Beinprothese bekommen. Der Deutsche hielt Wort - Osmar wischt sich beim Erzählen gerührt eine Träne weg.
Inzwischen war er schon mehrmals in Deutschland und ist zum grössten Fan unserer nördlichen Nachbarn avanciert. Er trägt eine Baseballmütze mit dem Schriftzug Deutschland, sein Schlafzimmer zieren Fanartikel vom FC Bayern-München und Foto-Kalender aus Magdeburg.
Im April wird er dort ein neues Fussgelenk bekommen. Wer das alles bezahlt war lost in Translation. Aber wer würde Osmar nicht helfen wollen? Bei diesem Mann kann man in Sachen Grosszügigkeit und Bescheidenheit in die Lehre gehen. Nie auch nur einen Tropfen Bitterkeit, obwohl er sein Bein mehr durch den Pfusch eines Arztes als durch den Unfall verlor.
Zu seinem Glück fehlt nur die Liebe. Frauen dieser Welt, die aus einem glücklichen Zufall auf unseren Blog gestossen seid, am schönsten Strand Brasiliens wartet ein Mann mit einem Herz aus Gold. Wir vermitteln gerne.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen